Daniels Spielwoche (11/2014)

Am Mittwoch im Spieltraum kam Descent – die Reise ins Dunkel auf den Tisch – wie schon hier detailliert erzählt. Ich hatte eigentlich gehofft, den Abend noch mit einer Partie Avalon oder wenigstens Bang – the dice game abzuschließen, aber das sollte nicht sein.

Am Freitag habe ich zum ersten Mal Russian Railroads gespielt. Ich bin ja kein Eurospieler, weil mich meistens die austauschbaren Themen und der Zwang zur Diversifizierung sowie arbiträre Punktwertungen nerven. Es gibt natürlich gute Euros, z. B. Puerto Rico und Agricola, aber die meisten öden mich doch an.Ich war also ganz natürlich davon ausgegangen, dass ich Russian Railroads als ein weiteres Worker Placement-Spiel hassen würde. Besonders, da ich ja eigentlich Eisenbahnspiele mag – Railroad Tycoon ist klasse, und leichtere Vertreter des Genres, Zug um Zug und Trans Europa, spiele ich ebenfalls sehr gerne. Wie soll das nun als Punktesalatspiel funktionieren?

Russian Railroads

Gelb führt!

Die Antwort: super. Das Thema ist zwar mehr als aufgesetzt, es könnte auch um abessinische Bergbauern oder ums Flaschenpfandsammeln gehen, aber es funktioniert einfach tadellos. Alle vier Spieler haben an diesem Abend etwas anderes versucht: ich habe früh Kiev angeschlossen und viele Ingenieure gekauft, die anderen versuchten es über Industrialisierung, die Transsibirische Eisenbahn oder über eine St.-Petersburg-Verdopplungsstrategie. Sehr interessant, wobei es auch mal wieder für quasi alles Punkte gibt. Trotzdem schön, dass man nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt wird (I’m looking at you, Terra Mystica!), sondern sich – natürlich im Rahmen der Interaktion mit den anderen Spielern – frei entfalten kann.

Dazu kommt, dass das Material sehr schön gestaltet ist: tolle, sehr stimmungsvolle Illustrationen, schönes Holzmaterial – man sollte es dem Verlag Hans im Glück hoch anrechnen, dass keine Standard-Holzwürfelchen verwendet, sondern kleine (Holz-) Eisenträgerchen beigelegt wurden, und es gibt auch keine Carcassonne-Meeples sondern … naja … zugegebenermaßen, die langhalsigen ETs sind schon ein bisschen merkwürdig.

Besonders hervorheben möchte ich die redaktionelle Bearbeitung bzw. das Grafik-Design. Mir liegt generell immer die Usability, die Ergonomie des Spielmaterials am Herzen. Und hier hat HiG eine Glanzleistung abgeliefert. Die Piktogramme sind klar und eindeutig, keiner musste zwischendurch nachfragen, welche Funktion dieses oder jenes Bonusplättchen hatte. Der Industrie-Track ist so gestaltet, dass man gar nicht erst in Versuchung gerät, den lila Möppel weiterzusetzen, wenn man an der entsprechenden Stelle keine Fabrik eingebaut hat. Es ist klar, welche Boni und Siegpunkte* an welchen Stellen generiert werden. Toll. Sehr schön, Hans im Glück, weiter so!

* Wirklich schade, dass die Siegpunkte hier nur schmucklos „Punkte“ heißen und nicht Prestige-, Gunst-, Einfluss-, Ruhmes-, Macht- oder, ganz besonders kreativ, vielleicht auch Legendenpunkte. Das wäre dann noch ein Highlight gewesen.

Wie ist es nun ausgegangen? Nun, ich habe natürlich nicht gewonnen, bin aber mit 321 Punkten zweiter geworden (die Mitspieler erreichten 363 und 268 bzw. 261 Punkte). Geht also.

SOS Titanic

Schöner thematischer Twist: Frauen und Kinder zuerst auf das Rettungsboot – die Tanzband und der Käpt'n kommen zuletzt.

Schöner thematischer Twist: Frauen und Kinder zuerst auf das Rettungsboot – die Tanzband und der Käpt’n kommen zuletzt.

Zum ersten Mal nach der Essener Messe habe ich SOS Titanic als kooperatives Spiel gespielt (ich war immer der Meinung, dass es eher ein Solitärspiel sei). Ich wählte als Crew die Charaktere aus, die ich sonst nicht spielen kann (weil sie nicht im Solospiel benutzt werden) und erklärte meinen drei Mitstreitern das Spiel. Würde ich meine ursprüngliche Meinung revidieren können?

Nö.

Mit mehreren Spielern hat man sehr, sehr wenig zu tun in seinem Zug. Zuerst die Passagiere neu ordnen (5 Sekunden). Dann die Aktion machen (10 Sekunden). Dann kommt der nächste an die Reihe, der wieder reorganisiert usw. Es gibt nur geringe Möglichkeiten, miteinander zu agieren und die Fähigkeiten der Mitspieler zu nutzen. Die einzelnen Züge fühlen sich banal an, und so plätschert (tihihi) das Spiel vor sich hin, bis der olle Pott mal wieder abgesoffen ist.

Ich liebe SOS Titanic nach wie vor, aber ich könnte glücklich sterben, ohne es noch einmal mit anderen Spielern gespielt zu haben. Also: SOS Titanic ist ein Solospiel. Punkt.

Ach so, 35 Punkte haben wir gemacht. Trotzdem wie gesagt kein allzu befriedigendes Spielerlebnis.

Starquest

Mit meinem Sohn spielte ich dann am schlechtwettrigen Sonntag Starquest. Das habe ich vor 20 Jahren das letzte Mal auf dem Tisch gesehen. Vielleicht sollten die Miniaturen mal angemalt werden?

Ich spielte bei diesem einfachen SciFi-Scharmützel natürlich wieder mal, meinem Naturell entsprechend, den bösen Chaos-Spieler, und mein Sohn war der mit Stormboltern und mich handicapenden Vorteilen ausgerüstete Marine-Spieler. Stormbolter? Nein, nicht ganz, denn die deutsche Version von Space Crusade ist, dem damaligen Zeitgeist geschuldet, betont pazifistisch. So wird zum Beispiel die Assault Cannon (ein mehrläufiges Maschinengewehr) zur „Nullzeitkanone“, die laut Anleitung den „subjektiven Zeitvektor der Getroffenen“ derart verändert, „dass sie für ihre Umgebung praktisch bewegungslos wirken“. Die Marines töten ihre Feinde selbstverständlich nicht, sondern machen sie völlig unblutig kampfunfähig.

Lohnt es sich wohl, die Figuren anzumalen? Detailliert genug wären sie.

Lohnt es sich wohl, die Figuren anzumalen? Detailliert genug wären sie.

Das war nicht nur für damalige Eltern bequem, die ihren Schützlingen nicht die Auswirkungen von massiver kinetischer Energie auf Lebewesen erklären mussten („Splatsch!“), sondern sorgt heute auch für viel unfreiwillige, großartige Komik. Der Raketenwerfer heißt „Holo Werfer“, („umgibt die Getroffenen mit einem absolut naturgetreuen holographischen Abbild ihrer bisherigen Umgebung, gegen das sie nun wirkungslos bis zur völligen Erschöpfung Ihrer Schaltkreise ankämpfen“ – die Monster sind, logisch, nicht aus Fleisch und Blut, sondern Robotlings) und die Plasmakanone „Black Hole Blaster“ (verschießt, wer hätte das gedacht, ein „räumlich begrenztes schwarzes Loch, das die Getroffenen einsaugt und in einer fremden Parallelwelt wieder freigibt“. Sehr kreativ.). Ach so, und die Space Marines heißen nicht Imperial Fists, Ultramarines und Blood Angels (wie man selbst als 40k-Laie an der Ikonografie zweifelsfrei erkennen kann), sondern GSG Tiger, GSG 17 und GSG Musketiere (GSG = Galaktische Schutzgruppe). Ich find’s super.

Mein Sechsjähriger hatte wahnsinnig viel Spaß, die von mir zahlreich aufgestellten Monster zu plätten (ich ebenfalls!) und er hatte auch keinerlei Probleme mit den Regeln. Ein schöner Vater-Sohn-Moment …

SOS Titanic

Wie, schon wieder? Ja, ich bin angefixt. Zur Sonntagabendstimmung passend (Wochenend-End-Blues) erzielte ich mit ganzen 6 Punkten das schlechteste Ergebnis ever. Ever. Ever.

Und dann – war die Woche zu ende.