Erkämpfen sich die Helden wagemutig den Weg zum Schicksalsberg um Sauron endgültig zu vernichten, steht Mittelerde in Flammen, so ist es für die Ringgeister an der Zeit, sich gegenseitig ans Messer zu liefern, hauptsache der gute Sauron hat sie ein wenig lieber als die anderen. Sie sitzen gemeinsam am runden Tisch und bieten Runde für Runde blind darauf, wer denn heute mal den süßen Hexenkönig herumkommandieren und wer mehr Armeen in die Schlacht führen darf – eben genau wie im Film! Das hat mir die Augen geöffnet: Es ist die einzige Erklärung, weshalb dieser Winzling Frodo am Ende doch noch obsiegen konnte – die Nazgul haben sich untereinander verzockt!
Als semikooperatives Spiel wollen einerseits Kampagnenabschnitte abgeschlossen, andererseits die meisten Schmusepunkte gesammelt werden. Wenn die beiden Nazgulfreunde die Rohirrim bekämpfen (richtig, auch das wurde im Film und sogar im Buch vollständig verschwiegen – aber die Fans werden für diese erleuchtende Ergänzung danken) dann nehme ich lieber alleine die drei Punkte woanders mit und belächle wie sie scheitern. Aber nächste Runde helfe ich auch mal wieder – der Ring darf schließlich nicht vernichtet werden, wo kämen wir da hin! Außer falls ich ohnehin verliere, zugegeben, dann ist mir der Ring herzlich egal und wir verlieren „kooperativ“, schade. Was ich mich eigentlich beschwere? Es gibt doch noch eine rein kooperative Variante?! Das stimmt. Allerdings fällt hier das Bieten und damit mehr oder weniger die einzige Spielmechanik mit Entscheidungen raus – jeder Spieler sucht sich einfach einen Vorteil für die Runde aus einer Liste aus. Was ich mich eigentlich beschwere? Das blinde Bieten ist bei der Spieldauer als Mechanik doch ohnehin komplett deplatziert?! Das stimmt ebenfalls.
Ansonsten werfen wir Runde um Runde und Kampf um Kampf verschiedenfarbige Plastikklötzchen in einen Becher und verändern deren Anzahl durch Karten, nur um sie anschließend wieder sauspannend herauszuziehen. So stehen und fallen Armeen und Helden. Und auch wehrlose Nazgul – es kommt vor, dass diese zeitweise kraftlos werden und auch in der Terrorwertung gegen die freien Völker eine starke Null beitragen – ganz genau wie bei der Vorlage… Nazgul sind die Helden der Herzen: Harte Schale, weicher Kern; einsam und verletzlich! Das urkomischte dabei: Werde ich bei meinem Ziehen aus dem Becher verwundet, darf ich darüber entscheiden, wer der anderen Mitspieler im selben Kampf den Schaden zugeteilt bekommt. Ironischerweise schlägt die Anleitung vor, dass man sich auch selbst wählen könnte. Zum Ausgleich lenken Nazgul das Weltgeschen und schieben Helden ganz einfach zwischen Schlachten hin und her, hier ein Aragorn, dort Gimli, und Gandalf wollen wir eher nicht. Habt Ihr Euch auch schon mal gefragt, weshalb Gandalf sich eigentlich immer so verdammt lange Zeit lässt bis er die Helden mit seiner Magie unterstützt? Spätestens jetzt ist es glasklar: Die Nazgul haben ihn immer wieder unter den Stapel geschoben!
Zum Glück sieht das Spielmaterial nur auf den ersten Blick gut aus: Die tollen Miniaturen sind einheitlich schwarz und lassen sich so nur schwer voneinander unterscheiden, die Karten sind überladen und nahezu papierdünn, die Anleitung beweist sich als lückenhaft und der Spielplan abstoßend und unübersichtlich. Passend zum Spiel hätte ich mir gerne mehr Rot gewünscht – die Farbe der Herzen!
Somit habe ich keinerlei Grund das Spiel auch nur ansatzweise irgendwem zu empfehlen. Auch ein Video ist mir dafür zu schade – soll doch wer anders machen, zum Beispiel der Folgende. Der hat aber offensichtlich vor, noch einige davon zu verkaufen. Wir hingegen bestellen keine mehr nach.
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